Dracula – die „kleinen Drachen“,
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Teil 1, Die Dracula Chimaera-Verwandtschaft
Hallo Orchideenfreunde.
C.A. LUER schuf 1978 die Gattung Dracula. Der Name bedeutet übersetzt „Kleiner Drachen“. Gelegentlich wird er auch mit „Sohn des Teufels“ interpretiert.
Im Rahmen seiner Revision der Gattung Masdevallia überführte C.A. Luer mit dem Typusexemplar D. chimaera (syn. Masdevallia chimaera Rchb.f.) rund 25 Arten in seine neu geschaffene Gattung Dracula. Er unterteilte die Gattung in einer späteren Überarbeitung (1993) in drei Untergattungen (Subgenera), fünf Sektionen und zwei Subsektionen. Es muss wohl der bei einigen Arten beinahe „furchterregende“ Blütenanblick einiger Arten gewesen sein, welcher ihn zu diesem Gattungsnamen inspirierte! Viele Arten tragen wegen ihrer bizarren Blüten den Namen von Fabelwesen vor allem aus der griechischen Mythologie.
Seit 1978 wurden viele neue Draculas entdeckt und beschrieben, so dass diese Gattung heute ca. 130 Arten umfasst, welche vom südlichen Mexiko bis Peru (mit der größten Artendichte in Kolumbien und Ecuador) verbreitet sind. Sie wachsen in Höhenlagen zwischen ca. 300 und ca. 2800 m, die meisten davon in kühlen Nebelwäldern zwischen etwa 1500 und 2500 m.
Draculas haben wie viele ihrer Verwandten aus der Subtribus Pleurothallidinae wie z.B. Masdevallia, Pleurothallis, Restrepia, Lepanthes u.v.a. keine Speicherorgane (weder Bulben noch sukkulente Blätter). Entsprechend der Höhenlage ihrer Standorte sind die meisten Draculas kühl und ganzjährig feucht zu kultivieren. Ausnahmen sind wenige Arten, die unterhalb 1000 m Höhe zu Hause sind und temperiert kultiviert werden können. Ruhezeiten gibt es bei den Draculas nicht. Da die langen Blütenstiele, an denen nacheinander mehrere Blüten entwickelt werden, in alle Richtungen (gern auch nach unten) wachsen, kultiviert man die Pflanzen am besten hängend in Gittertöpfen oder Holzkörbchen mit feuchtigkeitsspeicherndem Substrat (vorzugsweise reines Sphagnum). Sie benötigen viel Frischluft und ständige Luftventilation. Vor allem im Frühjahr und Sommer ist für ausreichend Schatten zu sorgen, damit die Blätter nicht verbrennen und das Substrat nicht austrocknet!
Ich bin ein großer Fan der Gattung Dracula und hatte in den 80er und 90er Jahren etliche Arten in Kultur. Leider kann ich ihre Arten mangels geeigneten Kulturraumes derzeit nicht kultivieren. Aber stellvertretend für die bizarren Blüten der „Kleinen Drachen“ bereitet es mir Freude, nachfolgend einige Arten in Wort und Bild vorzustellen:
1. Dracula chimaera und Verwandte
Dracula chimaera
ist das Typusexemplar der Gattung und wurde 1872 von H.G.Reichenbach nach dem Fabelwesen Chimaera der griechischen Mythologie als Masdevallia chimaera beschrieben. Dieses feuerspeiende Fabelwesen hatte der Sage nach den Körper einer Ziege, den Kopf eines Löwen und den Schwanz eines Drachen. C.A. LUER begründete 1978 mit dieser Art seine Gattung Dracula.
Heimatareal dieser Art ist die westliche Kordillere Kolumbiens. Ihre Blüten sind die größten der Gattung. Sie können einschließlich ihrer langgezogen Schwänze Blütendurchmesser von über 30 cm erreichen und sind von dichter und sehr derber Behaarung bedeckt. Ihre Grundfärbung ist außerordentlich variabel, sie variiert von weiß über gelb, grün und purpurn bis braun. Die Flecken auf den Sepalen können groß, klein, fließend oder zerstreut, braun oder dunkelviolett sein – sie können aber auch gänzlich fehlen. Auch einheitlich gelbe Farbformen sind bekannt. Diese enorme Variation verleitete Reichenbach, verschiedene Farbforen als eigenständige Arten zu beschreiben. Veitch reduzierte später diese Arten aus dem Farbenspiel von D. chimaera (damals noch Masdevallia) zu Varietäten von Masdevallia chimaera.
Die vielfältige Farb- und Formenvariation von D. chimaera zeigen die nachfolgenden Fotos:
Dracula chimaera
Fotos vom Forumsmitglied Wodka bereitgestellt – herzlichen Dank dafür!
Dracula chimaera
Foto vom Forumsmitglied Leni bereitgestellt – auch ihm ein herzliches Dankeschön!
Dracula wallisii
wurde 1875 ebenfalls von Rchb.f. als Masdevallia wallisii beschrieben und in der älteren Literatur vielfach als Varietät oder sogar nur als Synonym von D. chimaera eingestuft. In der Tat sind sie eng miteinander verwandt, und es ist schwierig, eine klare Abgrenzung zwischen beiden Arten zu finden. Zwar sind die Blüten von D. wallisii deutlich kleiner, ihre Behaarung sowie ihre Variation in Grundfarbe und Zeichnung entspricht jedoch der von D. chimaera. C.A. Luer gibt als Unterscheidungsmerkmal u.a. die Beweglichkeit der Lippe von D. wallisii und ihr im Gegensatz zu D. chimaera kreisrundes Epichil (der vordere Teil der Lippe) an.
D.wallisii ist ebenfalls in Kolumbien beheimatet, im Gegensatz zu D. chimaera aber nicht in der westlichen, sondern in der zentralen Kordillere. Zwei weitere Arten aus Equador, welche ebenfalls eng mit D. chimaera verwandt sind, wurden als D. woolwardiae und als D. chiroptera beschrieben.
Dracula wallisii
Dracula hirtzii
ist eine weitere enge Verwandte von D. chimaera. Alexander Hirtz entdeckte sie Ende der siebziger Jahre in den ca. 2000 m hoch gelegenen Nebelwäldern am Westabhang des Mt. Piccinchain Nordwest-Ecuador. Luer beschrieb sie 1979 nach ihrem Entdecker. Inzwischen wurde diese Art auch im Dptm. Narino in der Westkordillere Kolumbiens gefunden.
Die Blüten von D. hirtzii können beinahe ebenso groß werden wie die von D. chimaera, von welcher sie sich jedoch vor allem durch den kahl erscheinenden Blütenaspekt unterscheidet. Erst bei näherem Hinsehen entdeckt man sehr kurze Härchen, welche die Sepalen bedecken. Die Sepalen sind auf elfenbeifarbenem Grundton dicht mit winzigen zusammenfließenden rotbraunen Punkten bedeckt. Das rundliche Epichil (Vorderteil der Lippe) der beweglichen Lippe ist am Rande gezähnt und von vielen Adern durchzogen.
Dracula hirtzii
Dracula gorgona
ist ein bemerkenswert attraktives Mitglied der D. chimaera-Verwandtschaft! Über ihre Entdeckungsgeschichte ist nichts bekannt. Veitch beschrieb sie 1889 als Masdevallia chimaera var. gorgona. Luer & Escobar überführten sie 1978 als eigenständige Art D. gorgona in die Gattung Dracula. Ihren Namen gorgona erhielt sie nach den schrecklichen Gorgonen, drei Schwestern mit Schlangenhaaren, aus der griechischen Mythologie, bei deren Anblick Menschen zu Stein wurden.
Verbreitungsgebiet dieser Art sind die Dptms. Choco, Caldas und Riseralda in der Westkordillere Kolumbiens. Ihre Habitate liegen dort in Höhenlagen zwischen ca. 1800 und 2200 m.
Die Blüten erreichen einschl. ihrer Schwänze gut 20 cm im Durchmesser. Ihre Sepalen sind dicht mit langen Haaren bedeckt und auf gelblichweißer Grundfarbe großflächig purpurbraun gefleckt. Es sind auch weiße Formen mit gelblichen Flecken, sog. „xanthina“-Formen, bekannt. Auch D. gorgona besitzt die bewegliche Lippe vieler Verwandter von D. chimaera.
Dracula gorgona
Dracula roezlii
gehört ebenfalls zur D. chimaera-Verwandtschaft und wurde von Rchb.f. 1874 als Masdevallia roezlii beschrieben. Sie ist sowohl in der West- als auch in der Zentralkordillere Kolumbiens in Höhenlagen zwischen ca. 1800 und 2300 m zu Hause.
Die Blüten erreichen incl. der schwanzartigen Fortsätze ca. bis 20 cm im Durchmesser. Ihre Sepalen sind nicht wie bei D. chimaera und D. wallisii lang und derb, sondern kurz und fein behaart. Sie sind intensiv dunkelpurpur bis dunkelbraun getupft und somit leicht von den ihren Verwandten zu unterscheiden. Im Gegensatz zu R. Jenny (Orchideenkartei der D.O.G. 3/1985) bezeichnet Luer die Lippe als beweglich.
Dracula roezlii
Dracula severa
sieht auf den ersten Eindruck D. roezlli ähnlich. Die Blüten sind aber etwas kleiner und deutlich heller gezeichnet. Rchb.f. beschrieb sie 1875 als Masdevallia severa, und Luer überführte sie 1978 in seine Gattung Dracula.
Heimat von D. severa sind Höhenlagen zwischen ca. 1600 und 2000 m in der westlichen Kordillere Kolumbiens (Dptm. Antioquia).
Die Blüten von D. severa sind mit ca. 10 x 20 cm etwa doppelt so lang (in der Länge einschl. der Sepalenschwänze) wie breit. Sie sind auf weißlich bis gelblicher Grundfärbung dicht mit bräulichen bis dunkelvioletten feinen, ineinander zerfließenden Tupfen oder Streifen gezeichnet.
Dracula severa
Dracula vampira
wurde bereits vor rund 120 Jahren vom deutschen Konsul und Mineningenieur F.C. Lehmann als „schwarze Masdevallia chimaera“ in Ecuador entdeckt. Sie geriet aber bald darauf in Vergessenheit. Erst 1963 wurden erneut in Ecuador Pflanzen der „schwarzen Masdevallia“ gefunden, und zwar exakt dort, wo sie Lehmann bereits viele Jahrzehnte zuvor fand. Dieser Fund galt als Wiederentdeckung der sagenhaften „schwarzen Masdevallia roezlii“! Ein Exemplar dieses Fundes erhielt mit diesem Namen 1973 eine Auszeichnung (C.B.M.) von der American Orchid Society (A.O.S.). Da diese Pflanzen in Farbzeichnung und Größe ihrer Blüten jedoch deutlich von Masdevallia roezlii abwichen, benannte Luer sie 1978 zunächst in Masdevallia vampira um und überführte sie noch im selben Jahr als D. vampira in seine neue Gattung Dracula.
Verbreitungsgebiet dieser ebenfalls zur D. chimaera-Verwandtschaft zählenden Art ist die Westkordillere Ecuadors im Dptm. Pichincha. Sie wächst dort in Höhenlagen um 2000 m überwiegend terrestrisch unter niedrigem Gebüsch. Seltener sind epiphytische Standorte in dünnem Moospolster auf niedrigen Bäumen.
Die Blüten gehören mit einem Durchmesser bis zu knapp 30 cm incl. Ihrer Sepalenschwänze neben D. chimaera zu den größten der Gattung. Das Blütenzentrum besteht aus einer strahlenförmigen Zeichnung, und die Sepalen sind nicht punktiert oder gefleckt, sondern tragen auf elfenbeifarbiger Graundfarbe ein dichtes und kräftiges Netz aus dunkelvioletten bis dunkelbraunen, fast schwarzen parallelen Linien. Blütengröße und Zeichnung machen D. vampira unverwechselbar!
Dracula vampira
Dracula gigas
ist – wie der Name ausdrückt – eine große Pflanze. Zwar werden ihre Blüten einschl. ihrer Schwänze „nur“ ca. 20 cm im Durchmesser groß, ihre Blätter hingegen werden bis ca. 40 cm lang. Die Blüten erscheinen an stets aufrechten, noch längeren Infloreszenzen.
Diese Art wurde 1975 von Pater Andreetta und A. Hirtz in bis dahin unberührten, ca. 1800 – 2200 m hoch gelegenen Nebelwäldern im nordwestlichen equadorianischen Grenzgebiet zu Kolumbien (Dptm. Carchi) entdeckt und gesammelt und 1978 von Luer & Andreetta beschrieben. Sie wächst dort vergesellschaftet mit einigen anderen Arten (u.a. D. andreettae, D. levii), welche nur in diesem Gebiet beheimatet sind. 1987 wurde sie dann auch in der Westkordillere Kolumbiens (Dptm. Valle de Cauca) gefunden.
Die Sepalen von D. gigas sind unbehaart, einheitlich rosabräunlich und ohne jegliche Punkte, Flecken oder Streifen. Das Epichil der Lippe ist ebenfalls rosa und mit langen strahlenförmigen Lamellen überzogen.
Dracula gigas
Dracula tubeana
wurde vom deutschen Konsul F.C. Lehmann, welcher auch die „schwarze Masdevallia“ (= D. vampira) fand, in sehr kühlen, ca. 2000 - 2400 m hoch gelegenen Nebelwäldern im Dptm. Pichincha, Ecuador (wo sie endemisch beheimat ist) entdeckt und gesammelt. 1878 beschrieb Rchb.f. sie als Masdevallia tubeana. Luer benannte sie einhundert Jahre später zunächst als Masdevallia tarantula und überführte sie noch im selben Jahr (1978) als D. tubeana in seine Gattung Dracula.
Die sehr attraktiven Blüten erscheinen an langen Inflorezenzen und sind ähnlich wie die von D. roezlii und D. severa schmal langestreckt - also viel länger als breit. Ihre Größe beträgt etwa 12 x 20 cm. Die Sepalen sind relativ spärlich kurz behaart und im zentralen Bereich weißlich bis gelb mit wenigen feinen rotbräunlichen Punkten gefärbt. Zu den Spitzen hin gehen die Punkte in ein dichtes, flächendeckendes Rotbraun über. Die Lippe ist weiß.
Dracula tubeana
Dracula pubescens
ist im nordwestlichen Ecuador in feuchten Bergwäldern in Höhenlagen um die 1700 m zu Hause und wurde 1994 von Luer & Dalström in „Thesaurus Dracularum“ Vol. 7 beschrieben.
Sie gehört zu den kleinblütigeren Vertrtetern der D. chimaera-Verwandtschaft. Ihre Blüten sind einschl. der Schwänze ca. 15 cm im Durchmesser groß. Ihre Sepalen sind auf gelblicher Grundfarbe mit rötlichbraunen ineinanderfließenden Flecken gezeichnet und dicht von kräftigen Haaren bedeckt. Das Epichil der weißen Lippe ist annähernd kreisrund und am Rande gezähnt.
Dracula pubescens
Dracula dalstroemii
hat etwas Ähnlichkeit mit D. gigas. Sie ist wie diese eine recht großwüchsige Art - ihre Blätter werden mehr als 30 cm hoch. Die Infloreszenzen wachsen wie bei D. gigas auch stets aufrecht. Auch ihre Blüten erreichen mit mehr als 20 cm Durchmesser incl. ihrer Schwänze fast die Größe von D. gigas. Die Sepalen ihrer Blüten sind jedoch im Gegensatz zu D. gigas nicht kahl, sondern dicht mit sehr kurzen Härchen bedeckt. Sie sind auch in der Farbe viel blasser als die von D. gigas und auf gelblichweißem Grund mehr oder weniger fein rosabräunlch punktiert. Das dorsale (obere) Sepalum besitzt an der Basis seines Schwanzfortsatzes einen rundlichen Kallus, welcher auch bei der schneeweiß blühenden D. levii vorhanden ist.
D. dalstroemii wurde 1983 von Stig Dalström im Nebelwald eines ca. 2500 m hoch gelegenen, bis dahin unberührten Tales in Nordwest-Ecuador nahe der Grenze zu Kolumbien entdeckt. Zusammen mit vielen anderen Orchideen wird sie dort von D. gigas und D. levii begleitet. C.A. Luer, welcher C. dalstroemii 1984 beschrieb, vermutet deshalb, dass sie eine Naturhybride zwischen diesen beiden begleitenden Draculas sein könnte.
Dracula dalstroemii
Mit
Dracula hawleyi
Möchte ich meine kleine Kollektion der umfangreichen D.chimaera-Verwandtschaft abschließen.
Diese Art ist D. dalstroemii recht ähnlich und kann leicht mit ihr verwechselt werden. Die Blüten, welche die gleiche Größe von D. dalstroemii erreichen, sind jedoch nicht punktiert, sondern mit großflächigen hellorangebrauner Zeichnung auf blasserer Grundfarbe gezeichnet. Sie sind fast nackt, d.h. eine Behaarung fehlt fast gänzlich. Auch der bei D. dalstroemii vorhandene Kallus an der Basis des dorsalen Sepalums fehlt.
D. hawleyi ist in sehr kühlen Nebelwäldern des nördlichen Ecuadors in Höhenlagen zwischen ca. 2500 und 2800 m zu Hause und wurde 1976 dort von Ron Hawley entdeckt. Luer beschrieb sie 1978 ihm zu Ehren in „Selbyana“ 2.
Dracula hawleyi
Fortsetzung, Teil 2, folgt
Freundliche Grüße
Rolf
Zuletzt von Rolf am 25.11.14 12:06 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet