Moin,
das will ich mal versuchen.
Ed schrieb:
Die Temperatur von 6 Grad, in Eurer Anlage, wurde vermutlich wegen Einsparung von Heizkosten und um die Pflanzen noch im grünen Temperaturbereich zu kultivieren so gewählt und keinesfalls um optimale Bedingungen zu schaffen.
Die Temperatur wurde von mir so gewählt, um den Pflanzen durch die Nachtabsenkung eine positive Energiebilanz zu ermöglichen. Sicher hab ich dabei, als zuständiger Gärtnermeister, auch die Kosten im Blick. Das war aber nicht der Hauptgrund.
Ed schrieb:
Für was der Vergleich Cymbidium mit Acacallis gut sein soll ist mir auch nicht klar. Ein Prinzip oder Regeln für alle Pflanzenarten zu benennen würde ich nicht wagen, schon bei einer Orchideenart können Auswirkung oder Reaktionen sehr unterschiedlich ausfallen.
Doch, das kann man.
Unser Professor für Pflanzenphysiologie an der Meisterschule Hannover-Ahlem hat uns das mit Hilfe eines sogenannten Induktions-Dreiecks erklärt: hohe Einstrahlung - niedrige Temperatur - günstige Tageslänge. Wenn diese drei Faktoren im artspezifischen Rahmen zusammenkommen induziert eine Pflanze Blütenansätze. Durch die hohe Einstrahlung am Tag kann die Pflanze Sonnenenergie sammeln, niedrigere Temperaturen sorgen dafür, dass sie sie nicht für Wachstumsprozesse benutzt und die günstige Tageslänge (Kurztag, Langtag usw.) ist dann der Katalysator für die innere Uhr der Pflanze. Das ist jetzt alles etwas vereinfacht ausgedrückt.
Die Acacallis hab ich erwähnt, weil auch für sie diese Faktoren gelten. Sie braucht aber deutlich weniger Licht und eine höhere Temperatur als ein handelsübliches Cymbidium. Wenn man sie jedoch näher an ihre physiologischen Grenzen in Bezug auf diese Wachstums-Faktoren bringt, kann auch sie einen "Energie-Überschuss" erwirtschaften, der die Vorraussetzungen für einen Blütenansatz ist. Da sie nahe des Äquators wächst, glaube ich, dass sie tagneutral ist und die Tageslänge keine Rolle spielt. Das ist aber nur eine Vermutung. Ob es schon Untersuchungen zu Orchideen gibt, ob sie Kurztag-, Langtag- oder was auch immer sind, ist mir nicht bekannt. Auch wenn die Tageslänge bei der Induktion an sich keine Rolle spielt, die Pflanzen also tagneutral sind, blühen diese Pflanzen erst, wenn durch die beiden anderen Faktoren genug Energiereserven vorhanden sind.
Ed schrieb:
Beim ersten Abschnitt wäre schön, wenn du die Quellen deiner Ausführungen nennen könntest.
Es würde mich doch sehr interessieren dies selber nachzulesen.
Ui, das wird schwer, denn mein Wissen basiert auf den Versuchsberichten der Gartenbau-Versuchsanstalt Hannover-Ahlem, wo ich meinen Gärtnermeister gemacht habe. Während dieser Zeit hatten wir Zugang zu diesen Unterlagen. Viele dieser Versuchs-Ergebnisse und auch von denen anderer Versuchsanstalten (Weihenstephan, Straelen, Bad Zwischenahn usw.) wurden dann in gartenbaulichen Fachzeitschriften wie TASPO-Magazin, Deutscher Gartenbau, Zierpflanzenbau, Gärtnerbörse, Versuche im deutschen Gartenbau usw. veröffentlicht. Leider hab ich nicht mehr im Kopf, welche Artikel ich dazu alle gelesen habe.
Unser Professor, Hans-Christoph Scharpf, hat mit drei Kollegen ein Buch geschrieben, das die
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Versuch doch mal auf die Seiten der deutschen Gartenbau-Versuchsanstalten zu kommen. Da gibts eventuell auch Informationen zu diesem und anderen interessanten Themen.
Ed schrieb:
Fahre ich den Stoffwechsel herunter so verringert sich auch der Wasserbedarf, einen hohen Energieverbrauch kann ich nicht sehen.
Richtig, durch die niedrigeren Nachttemperaturen mache ich genau das und dadurch können die Blütenansätze erhalten werden.
Ed schrieb:
Ein vielgenannter Hinweis lautet übrigens, fast kein Wasser geben, wenn sich eine Orchidee in einer Ruhe oder Trockenphase befindet.
Auch da sehe ich keinen Unterschied zu meinen Ausführungen. Die niedrigeren Nachttemperaturen sorgen dafür, dass die Pflanze weder ihre
Zucker- noch Wasserreserven angreifen muss. Wären die Nachttemperaturen höher, müsste sie es tun. Höhere Temperaturen bringen sie wieder dazu, zu wachsen. Dafür braucht sie Wasser. Dieses muss sie entweder mit den Wurzeln aufnehmen oder, wenn diese kein Wasser bekommen, aus ihren Organen mobilisieren. Beide Prozesse erfordern Energie, die sie nur aus dem gespeicherten Zucker gewinnen kann. Wird diese Reserve zu stark angegriffen, greift die Pflanze auf Organe zurück, die sie am wenigsten benötigt...... die Blüten.
Ed schrieb:
Bisher war ich der Meinung das die Pflanze bestimmt ob geblüht wird, nämlich dann wenn sie genug Energie gesammelt hat und die Bedingungen stimmen. Der Energiefluss geht dann von der Pflanze zur Blüte/Knospe. Kommt etwas unvorhergesehenes dazwischen wird die Blüte nicht mehr versorgt. Das ein Energiefluss in die andere Richtung möglich sein soll ist mir nicht bekannt aber ich bin auch kein Botaniker.
So kann man es sagen. Wichtig ist hier jedoch der Zusatz "wenn die Bedingungen stimmen". Dazu siehe "Induktions-Dreieck".
Ed schrieb:
Nach dem Lesen deines Beitrag kommt mir die Frage in den Sinn, wie kommen tausende Cym-Hybriden die in Australien, den USA (hauptsächlich den südlichen Staaten) und auch tropische Zonen Asiens kultiviert werden mit Tiefsttemperaturen zurecht die einiges über 10 Grad liegen.
Und auch in Thailand gibt es tausende von Cymbidien die hier kultiviert werden, egal ob Naturformen oder Hybride, für die eine Tiefsttemperatur von 15 Grad absolut ausreichend ist und manchmal blühen sie sogar zweimal im Jahr und zeigen keinerlei Energiemangelerscheinungen. Das Gegenteil ist eher der Fall.
Sie würden auch bei uns mit diesen Temperaturen zurechtkommen. Die 6° C sind ja nicht unbedingt nötig, sie schaden aber keinesfalls und bringen halt Vorteile bei der Haltbarkeit der Blütenansätze und der späteren Blüte. Jedes Grad weniger, aber über dem arttypischen Minimum, bringt ein klein wenig mehr an Energieeinsparung.
Die Länder die Du ansprichst haben zu uns in Mitteleuropa einen entscheidenden Vorteil: die Einstrahlung. Die Lichtausbeute dort ist durch die Stellung der Sonne deutlich stärker. Somit kann die Pflanze am Tag auch viel mehr Energie generieren und speichern. Wenn dann noch eine gute Düngung und Wasserversorgung dazu kommt, lebt es sich für ein Cymbidium doch richtig gut und sie hat immer ordentlich Reserven zur Verfügung.
Es ist immer schwierig, komplexe Dinge wie die gärtnerische Pflanzenphysiologie, die man selber schon seid knapp 30 Jahren täglich praktiziert, Dritten verständlich zu erklären.
Wenn ich mich weiter unverständlich geäußert habe, frag bitte weiter nach.